Die heimische Ordensbrust

Das Land der Berge beginnt seinen Jahresreigen mit Neujahrswalzer und Radetzkymarsch. Der Westen entflieht sogleich in Schneesportereignisse, der Osten gibt sich der Melancholie hin, und die Bundeshauptstadt versenkt sich in die Ballsaison.

Zu den Grotesken dieser Saison zählt das Bekleidungsregime männlicher Würdenträger. Deren dienstlicher Alltag bietet unterm Jahr kaum Raum für modischen Exzess. Der dunkle Anzug ist die Uniform für den seriösen Mann. (Der unseriöse Mann trägt Sportbekleidung.)

Es darf nicht irritieren, daß der seriöse Mann, in der närrischen Zeit zur Enthemmung aufgerufen, nicht gleich zur Alltagsbekleidung des unseriösen Mannes greift. Der seriöse Mann greift in der närrischen Zeit zum Frack. Dem elegantesten Kleidungsstück der Herrenbekleidungswelt. Der Frack kommt aus England, dem Mutterland der Schneiderkunst. Er war dort ursprünglich als Frock bekannt, als Kleidungsstück der unteren, arbeitenden Schichten, wurde aber von jungen Aristokraten adaptiert, um die Modeströmung „undress“ zu bespielen, französisch negligée, nachlässig. Der Frack ist also Punk. In der stillen Ahnung, im Frack doch ein Proletenkleid zu finden, wird der „Große Gesellschaftsanzug“ in Österreich ausschliesslich in der Ballsaison angelegt. Da die Modevorschrft „white tie“, französisch „cravate blanche“ die weiße Frackmasche vorsieht, fällt eine Individualisierung des Trägers durch das Krawattenmuster weg. Der Mann von Frack spiegelt seine Couleur durch Orden und Ehrenzeichen ein. Von der Freiwilligen Feuerwehr bis zum Bundespräsident der Republik unterlässt es keine Institution im Land, Orden zu vergeben, Verdienststerne, Ernennungsmedaillen. Die Ballsaison und hier insbesondere der Opernball bietet die einzige Gelegenheit, einen Orden zu tragen, und der Frack die einzige Modefläche, einen solchen zu applizieren. Es wundert daher nicht, dass Orden fast ausschlieslich an Männer vergeben werden. Dass sie nur in der närrischen Zeit getragen werden, komplettiert den Befund.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 18.2.2017.

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