Österreich aus Wiener Sicht

Von den Nichtwienerinnen und Nichtwienern wird Wien mit einer Mischung aus Hass und Ablehnung geliebt. Es ist den Menschen aus den Bundesländern zu groß (in Wahrheit zu großkopfert), dabei zu wichtig (gemeint ist: zu wichtigmacherisch). Vor allem aber, und hier wird das Urteil unscharf, leben in Wien zu viele Nichtösterreicher. Statistisch gesehen ist das richtig, allerdings liegen die Verhältnisse anders, als die Kritiker meinen. Kommt doch die größte Immigrantengruppe aus Deutschland. Aus jenem Land, dessen Angehörige in den Tourismusgebieten Österreichs mit höchster Zuneigung bedacht werden. Deutsche sind redlich, heißt es, und sauber, und sie sprechen gut Deutsch. Vor allem aber haben die Deutschen viel Geld, das sie, nach Gabe von Lockermachern auch überaus gerne ausgeben.

Die Deutschen, die Wien bevölkern, und dort für Lockerung zu gewinnen sind, gehen aber in anderen Bundesländern ab, sie fehlen in Sankt Gigritz am Patschen und in Bad Ponyhofstetten. Die Leute vom Balkan sind ja auch ganz nett (gibt man in der Provinz zu), aber sie haben zu wenig Geld. Ausserdem stecken sie die Deutschen mit Sparsamkeit an.

Was wird noch gegen den Wasserkopf Wien ins Treffen geführt? Es bildet sich zuviel ein. Aber worauf eigentlich? Die Postkartenmotive? Davon hat Salzburg mehr. Die Dichte von Halli und Galli? Da gewinnt der Schneekurort Ischgl. Der Wein? Schmeckt in Illmitz besser. Das Wasser? Hochquellen gibt es schon westlich von Purkersdorf.

Was mögen die Bundesländer an Wien nicht? Es ist zu wienerisch. Insgesamt.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 11. Juli 2020.

3 Gedanken zu „Österreich aus Wiener Sicht“

  1. Für mich, als in Wien lebende Salzburgerin, die viel Erfahrung mit Tourismus im Salzkammergut hat, waren die Wiener, die es sich leisten konnten dort zu urlauben oft sehr „grosskotzig“, wie die unangenehmen Deutschen, die alles geflutet haben. Der Dialekt war unerträglich. Und er ist es manchmal immer noch, obwohl ich Wien liebe und schon lange hier lebe.
    Die Landkarte war auch ärgerlich, denn es gab Wien, dann lange nix und alles andere war einfach das Land…

  2. „Was mögen die Bundesländer an Wien nicht?“

    Dass Österreich in der Wiener Weltsicht quasi aus 90% Wien besteht und der Rest Österreichs wie eine Art herziges Anhängsel betrachtet wird, wo man vielleicht Ausflug hin macht. Dass alles, was in Wien passiert laut Wienern ganz Österreich zu interessiern hat, aber was im Rest Österreichs passiert, nur höchst selten die Sphäre des Wieners penetriert.

    Klar, Wien ist eine Welthauptstadt, aber in einigen Bereichen hängt der Rest Österreichs inzwischen Wien ab – Ein Faktum, dass so garnicht mit der Wiener Weltsicht vereinbar ist. In meiner Branche, Videospielentwicklung, ist momentan Graz Vorreiter: Die grösste Entwicklerfirma ist hier beheimtatet, mehrere Kleinentwickler tummeln sich hier und dank TU und Joanneum wird hier viel neues Talent und Know How geschaffen. Aber versuch das mal einem Wiener Investor klar zu machen… XD

    Peace!

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