Geschenke für Leute die schon alles haben

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Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 26.7.2014.
Geben ist seliger den Nehmen, wissen die Bibelkenner. Haben ist heiliger denn Wollen, sagen die Kapitalismusversteher. Was schenkt man jemand, der schon alles hat? Ein Seminarwochenende im Diskursrund? Das neue Buch von Umverteilungsprophet Thomas Piketty? Eine Nacht auf der Parkbank? Abgelaufenes Joghurt? Prince Charles konnte man vor nicht allzu langer Zeit noch mit dem Premierenerlebnis einer Taxifahrt überraschen. Der ewige Thronfolger des Vereinigten Königreiches wurde bei dieser Gelegenheit mit der für ihn völlig neuen Erfahrung konfrontiert, dass dem Großstadtmenschen gemeinhin Fahrpreis für die Ortsveränderung abgenommen wird. Bis dahin war Prince Charles bargeldlos durchs Empire getrampt. Berichte wie dieser lehren uns beständig, daß es auch auf dem Feld des Beschenktwerdens echte Profis gibt. Sie schmeissen zu präsentwürdigen Anlässen – Gebursttagen, Namenfesten, Hochzeitsanniversarien, Berufseintrittsjubiläen und anderen Feierstunden große Parties, deren Reinerlös den Stiftungsnehmern zukommt. Erfahrene Geschenkadressaten organisieren diese Jubelzusammenküfte nicht selber, sondern lassen planen. Stets findet sich ein willfähriges Logistiktalent. Im Vorfeld zirkulieren Geschenklisten und Geldtöpfe, um Bekannten und Freunden mit Gebersyndrom Gelegenheit zur Teilnahme an der Umverteilung zu geben. In der Regel wird nach oben verteilt, das heißt, Ärmere schenken Reicheren mehr als umgekehrt. Auch hier werden gesellschaftliche Binsenweisheiten plastisch: Wer schon hat, dem wird gegeben. Traditionell werden Geschenke am Tag der Bescherung auf Tischen aufgebaut. Schenkende werden so auch zu öffentlich Präsentierenden. Kaum jemand, der sich mit einem mickrigen oder geistlosen Geschenk einstellt, keiner möchte zum Spott der Anderen werden. Phantasielosen bleibt immer noch die Teilnahme am kollektiven Großgeschenk und das Abarbeiten der Kleinpräsenteliste. Wer diesen Prozess in seiner Dynamik durchschaut hat, wird sich nicht wundern, warum Reiche immer reicher werden, Arme immer ärmer. Es möge also dieser Appell ergehen: Schenkt endlich in die Gegenrichtung! 

Ein Gedanke zu „Geschenke für Leute die schon alles haben“

  1. Da verkehre ich wohl in den falschen Kreisen, als dass dies auf mich zutreffen würde.

    Wahre Geschenke haben ihren Wert in der Bedeutung für den Empfänger, und nicht dem materiellen Wert.
    Dazu eignen sich (gemeinsame) Erlebnisse als Geschenk.

    Und um Ihrem Apell folge zu leisten, beschenkt man am besten einfach Kinder. Da ist die Freude bzw. das Feedback auch am ehrlichsten.

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