Der Ofen der im Kreis geht

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 01.02.03/2015.

Liebe Frau Andrea,
ein deutscher Kollege sorgte für Gelächter, als er sich bei einem Glas Rotwein einen Ofen anmachte und sich der Doppeldeutigkeit nicht bewusst war (er saß vorm Kamin). Ich konnte ihm den Ursprung dieser Redewendung nicht erklären, deshalb: Wissen Sie woher “einen Ofen bauen” als Synonym für Joint kommt?
Vielen Dank und liebe Grüße,
Thomas W., per Email

Lieber Thomas,

zunächst müssen wir klären, wovon wir hier in Wien überhaupt sprechen. Zugereiste und Neulinge auf diesem Feld (wir meinen strikt jenes der sprachlichen Beobachtungen) könnten sich schnell in Verwirrung verlieren. Als “Joint” verstehen wir gemeinhin eine selbergemachte Haschisch-Zigarette zum Zwecke des gemeinsamen Konsums. Ein Wiener Joint hat in unseren Breiten eine leicht konische Form. Sie wird vom Baumeister (unser erster Wienerischer Begriff) aus “Papers” (Zigarettenpapier aus der Trafik) und einem “Filter” (ein spiralig zusammengerolltes Stück Weisskarton) gefertigt. Als Füllung dient der Inhalt einer nichtparfürmierten Filterzigarette sowie die zentrale Ingredienz: Zerbröseltes Haschisch. Dies ist aus den Blütenständen der weiblichen Cannabispflanze gewonnenes und zu Platten oder Blöcken gepresstes Harz, von fahler brauner Farbe und bröseliger, manchmal leicht öliger Konsistenz, jedenfalls aber hierzuorte “Piece”, “Bröserl”, “Kit” oder “Shit” genannt. Selten werden Wiener Joints mit Gras (Marihuana) gefüllt, den getrockneten, meist zerkleinerten Blütentrauben und blütennahen, kleinen Blättern der weiblichen Hanfpflanze. Wichtges Merkmal Wienerischer Haschischkultur ist das Zusammendrehen der überständigen Papers-Anteile zu einem Schopf und das minutiöse Falzen eines endständigen Randes. Den solcherart zu einem Deckel gewordene Ende des Joints nennen die Wiener “Hütchen”. Mit einer Drehung unter Flamme wird die Falzung (der Rand) abgeglimmt und das Hütchen abgenommen. In Wien spricht man selten vom “Joint”, allenfalls vom “Joe”, mit grössere Häufigkeit aber vom “Gerät”. Unser “Ofen” ist ein gleichermassen gängiges Synonym, das vermutlich ursprünglich nur die selbergebaute Wasserpfeife bezeichnete, ein Gerät, bei dem Wasser als Kühlung (und Filter) dient.

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