Wir sind das Folg

Kaum ein Begriff ist so stark mit Bedeutung aufgeladen, wie der des Volkes. Erde vielleicht, Blut, und natürlich Freiheit. Wann immer jemand „Volk“ schreit, schwingen die anderen Bedeutungsglocken. Glocke Erde, Glocke Blut, Glöckchen Freiheit. Auch in Österreich, besonders in Österreich. Hier läutet es stärker, hier schwingt es länger, hier schreit man lauter. Wenn in Österreich vom „Volk“ gesprochen wird, ist immer das Volk der Einheimischen gemeint. Und von den Einheimischen jene, die gut und ausschließlich Deutsch sprechen. Am besten Österreichisch. Nicht zum Volk gehören die anderen, die nicht hier Geborenen, die Zugereisten, die Eingewanderten, die hierher Geflüchteten. In pandemiebedingten Versuchen, alle anzusprechen, muss sogar der Bundespräsident zu schrägen Formulierungen greifen. „Liebe Österreicherinnen und Österreicher und alle Menschen, die hier leben“ sagt er dann und ja, das holpert. Was hören wir noch aus dem Wort Volk heraus, was tönt mit hellem Glockenklang durch alles Gemurmel, jedwede Klage, durch Aufschrei und milleubedingte Unmutsäusserungen? Das Volk folgt. Das Folg hat einen Vormurmler, einen Unmutsvoräusserer, einen Vorschreier. Ihm folgt das Folg, es schreibt auf Tafeln, was der Vorschreiber ansagt, was der Vorsager herbeischreit, was er auf YouTube-Kanälen dahermeint und in Fernsehhangaren von sich sprudelt. Die Erde ist uns egal, es geht um unseren Acker, heißt es dann, in unser Heimatblut spritzt ihr keine Giftsuppe, unsere Freiheit ist das Entwurmungsmittel, das Schwurbeln und das Leugnen. Denn wir sind das Folg!

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 18. Dezember 2021.

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